von Florian Schiel
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Ich sitze in meinem Büro und warte zur Abwechslung mal darauf, daß
das Telefon klingelt. Ich wünschte zwar, es würde das lassen, aber bis
jetzt hat die Erfahrung gezeigt, daß solche Wünsche in den oberen
Rängen meistens unberücksichtigt bleiben.
Vor allem wenn sie von mir kommen.
Also habe ich beschlossen, heute den Spieß umzudrehen. Nach
Murphy's Law klingelt ein Telefon mit höchster Wahrscheinlichkeit
gerade dann, wenn man mitten in einer wichtigen Arbeit steckt oder
gerade in der Badewanne sitzt. Das ist wie mit dem bekannten
Milchtopf, der nicht kocht, solange man ihn bewacht. Folglich werde
ich heute das Telefon bewachen, bis es wegen Nicht-Klingelns
schwarz wird.
Keine drei Stunden später macht das Telefon alle meine Hoffnungen
zunichte: Es läutet.
Ich lasse es dreimal läuten, dann hebe ich ab:
"W... was?" "Ist dort nicht die Pizza-Hotline?" frage ich. "Nein, ich..." "Dann habe ich mich wohl verwählt. Entschuldigen Sie bitte." "Aber..."
In diesem Moment trabt das Doggen-Monstrum vom Hausmeister an
meiner offenen Bürotüre vorbei. Das ist die Gelegenheit. Mit meinem
Lunch-Sandwich locke ich das strohdumme Vieh in mein Büro. Gleich
darauf klingelt wieder das Telefon. Ich hebe ab, schalte auf Mithören
und halte der Dogge den Hörer hin.
Die Dogge des Hausmeisters ist bekannt dafür, daß sie bei jeder Art
von High Tech großes Unbehagen empfindet. Unbehagen äußert sich
bei ihr in Form von lautem Winseln und Jaulen.
Hallo..."
Als ich von einem ausgedehnten Snack in der Cafete zurückkomme,
steht der riesige Kübelstaubsauger der Putzfrau vor meiner Bürotür.
Das mißfällt mir.
Erstens kann ich das veraltete Ding sowieso nicht ausstehen, weil sein
mittelalterliches Geheule mir regelmäßig Alpträume während der
Mittagspause verursacht. Hundertmal habe ich dem Chef schon
vorgeschlagen, ein modernes schallgedämpftes Modell anzuschaffen,
das dem High Tech Charakter unseres Lehrstuhls angemessen ist.
Keine Stunde später höre ich den Chef seinen 14-Uhr-Rundgang
beginnen. Während er den Gang herunterschreitet, unterhält er sich
väterlich mit der Putzfrau. Der Chef gibt sich gern sozial gegenüber
seinen subalternen Angestellten.
"Uh... wann der Klainä nua mal mecht bessa wean mit sain Aschtma, necht? Un da Mann nua necht sovill trinken mecht. Un denn es de Tantä noch laida gstorm..." "Gut, gut, das freut mich aber...", sagt der Chef leutselig lächelnd.
Inzwischen sind sie beim Staubsauger angelangt, und die Putzfrau, die
dem Chef zeigen möchte, wie ausgesprochen arbeitswütig sie heute
wieder ist, setzt das heulende Ungetüm sofort in Gang. Durch den
fehlenden Filter wird der staubige Inhalt des Kübels mit beträchtlicher
Geschwindigkeit herausgepustet. Es entsteht eine Art Mini-Atompilz im
Gang, der das Haupt des Chefs wie ein Glorienschein umwallt. Der
Chef schnappt vor Schreck nach Luft und bekommt eine geballte
Ladung Tschernobyl-Staub in die Lunge.
Die Putzfrau findet vor Aufregung den Schalter nicht und rüttelt
hektisch an dem heulenden Kübel herum. Das erweist sich als Fehler,
weil sich nun auch die schwereren Teile in Bewegung setzen und ihren
Weg in durch den Auslaßstutzen finden. Es schneit Papierschnitzel und
Zigarettenstummel über den Chef, der sich mitten in einem
krampfhaftem Hustenanfall befindet. Undefinierbare Metallstückchen
schießen als bösartig surrende Querschläger durch den Gang und
treffen beinahe Kollege O. und Marianne, die neugierig aus ihren
Büros spähen. Endlich schafft es der Chef geistesgegenwärtig, sich in
das Netzkabel zu verheddern und den Stecker aus der Wand zu ziehen.
Die Putzfrau stotterte unzusammenhängendes Zeug; der Chef versucht
krampfhaft, sein Soziallächeln aufrechtzuerhalten. Allerdings bröckelt
es am linken Mundwinkel schon etwas.
Frau Bezelmann, die immer zur Stelle ist, wenn etwas Amüsantes
außerhalb der üblichen Routine passiert, beginnt die Glatze des Chefs
mit einem gelben Spüllappen abzustauben.
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