BASTARD  ASS ( I FROM  HELL OVERSEA
                                                                                                                                                                                             von  Florian Schiel
 
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B.A.f.H.O. 6
 
 "WHAT THE HELL IS THIS!!!" 
Mit lauten Knall klatscht Jerry ein Papier auf meinen Schreibtisch und funkelt mich angriffslustig an. 

So etwas kann ich schon gar nicht verknusen! Vor 11 Uhr morgens loesen Geraeusche mit mehr als 90 dB bei mir anti-allergische Reaktionen aus. 
Andererseits scheint Jerry momentan nicht in der Verfassung zu sein, sich mit dem ueblichen "I'll come back to you!" abspeisen zu lassen. 

Jerry ist normalerweise absolut 'cool'. Er ist so 'super-cool', dass er eine Buechse Cola nur anschauen muss und sie bedeckt sich in Sekunden mit Rauhreif. 
Allerdings schaut er nicht sehr viel - ausser auf sein Computer-Display. Die schweren Augenlider unter der umgekehrt aufgesetzten Baseball-Kappe und den beringten Augenbrauen sind normalerweise auf Halbmast festgezurrt. Weitere Ringe in seiner Unter- und Oberlippe verhindern, dass er zu schnell spricht (was aber sowieso 'un-cool' waere), und wenn er Nahrung in fluessiger Form  zu sich nimmt, rinnt unvermeidlich ein duenner Faden sein Kinn herab. 
Hoeren tut er auch nicht besonders gut, weil die vielen 'ethnic piercings' in seinen ziemlich abstehenden Ohren staendig gegeneinanderklingeln.
Aber Zuhoeren ist sowieso 'un-cool'! Seine Haare sind in verschiedenfarbigem Rautenmuster geschoren, und er traegt immer dieselbe kackbraune Latzhose, deren Schritt irgendwo bei seinen Kniekehlen baumelt. Deswegen kann er sich auch nur mit ganz kleinen Schritten fortbewegen, aber schneller zu laufen waere sowieso... genau: absolut 'un-cool'! Zur Latzhose gehoert ein geripptes Unterhemd, wie sie mein Grossvater immer getragen hat, das selbstverstaendlich die 'cool-sten' Loecher an den richtigen Stellen hat, die von einem absolut 'hyper-coolen' 'ripped-underwear-designer' mit groesster Sorgfalt ausgesucht wurden. Durch manche der Loecher kann man seine Tatoos sehen, die natuerlich alle 'super-cool' sind (Stacheldraht um die Huehnerbrust, der sich auf dem Weg nach unten in ein 'power cord' verwandelt; dreimal duerft ihr raten, wo sich der zugehoerige Stecker befindet!). 
Jerrys Sonnenbrille ist so 'cool', dass sie jedem Vollblinden perfekt anstehen wuerde. Aber das macht ihm nichts aus, denn Herumlaufen waere ja, wie bereits gesagt, absolut 'un-cool', und zum Herumhaengen oder Am-Strassenrand-Sitzen reicht die Blindenbrille allemal. 

Jerry ist so 'cool', dass er eigentlich schon nicht mehr 'cool' ist: er ist 'nifty'! Nebenbei ist er einer unser besten Hacker und ein Faulpelz... 

Im Moment scheint er allerdings nicht so ganz auf seiner ueblichen 'coolen' Hoehe zu sein. Also nehme ich seufzend und aufreizend langsam den Fetzen Papier zur Hand, suche umstaendlich meine Lesebrille von Woolworth mit 0.0 Dioptrin und gucke angestrengt auf das Papier. 
"Schaut aus wie deine Lohnabrechnung", sage ich fuenf Minuten spaeter, waehrend derer Jerry sich muehsam beherrschend an meiner Tischplatte festgekrallt hat. 
Er reisst mir den Ausdruck aus der Hand und zischt: 
"Allerdings ist das meine Lohnabrechnung! Und hier?! Und das hier?! Was zum Teufel ist das hier?! Ginger hat gesagt, das sei deine verf..... Idee gewesen?!" 
"Das ist nur die Abrechnung deiner Maus-Maut", sage ich besaenftigend und nehme die Brille ab. "Absolut kein Grund zur Aufregung. Ganz 'cool' bleiben, Mann!" 

Jerrys Stimme schnappt ueber: 
"Da fehlen 565 Dollar auf meinem Paycheck!!! Und ich soll cool bleiben! Was zum Teufel heisst das hier: 113.4 Miles Mouse Toll equals  $ 565" 
"Ganz einfach", sage ich und nehme das Papier aus Jerrys zitternden Fingern. "Unser Hardware-Etat ist infolge einiger notwendiger Investitionen in der... aehm... juengeren Vergangenheit so zusammengeschmolzen, dass die... hmm... Institutsleitung beschlossen hat, eine Mautgebuehr fuer die Abnutzung der Maeuse einzufuehren. Weisst du ueberhaupt, wieviel wir im Jahr fuer kaputte Maeuse ausgeben?" 
"Ich..." 
"Fast dreitausend Dollar! Es wurde deshalb vorgeschlagen, diese Kosten aufwandsneutral und verschleissproportional an die Benutzer durchzureichen..." 

'Aufwandsneutral', 'verschleissproportional ' und 'an Benutzer durchreichen' habe ich mir von unserem bayerischen Augenbrauen-Monster T.W. abgehoert. 'Verbreiterung der Einkommensbasis' ist auch so ein Renner von ihm! Ich haette wirklich Politiker werden sollen! 

"... und deshalb werden fuer jeden Benutzer ab sofort die mit der Maus zurueckgelegten Meilen registriert und am Monatsende mit $ 5 pro Meile vom Paycheck abgezogen. Uebrigens zahlen natuerlich auch die Studenten, allerdings nur $ 3 pro Meile..." 

Jerry starrt mich an; das muss er erstmal verdauen. "BUT THIS IS OUTRAGEOUS!" explodiert er schliesslich. "Das lasse ich mir nicht bieten! Wie soll man da noch wissenschaftlich arbeiten! Ich werd' mich beim Dean beschweren..." 

Ich zucke gelassen mit den Schultern. 
"Es soll ja noch andere Leute geben, die scharf auf einen Job an der Uni sind. Im Silicon Valley wimmelt es geradezu von frustrierten, ausgenutzten Hackern, die nur darauf warten, dass hier an der Cal ein ruhiger Job frei wird..." 
Ich oeffne eine Textdatei und gucke hinein. 
"... ausserdem wuerde ich hier nicht so laut vom 'wissenschaftlich arbeiten' herumtoenen. Ich habe mir mal deine letzten vier Veroeffentlichungen angeschaut. Tststs. Also beim besten Willen: da steht doch ueberall dasselbe drin, obwohl das Kind jedesmal einen anderen Namen hat. Jaja, ich weiss schon: 'publish or perish'. Aber mit so einer Veroeffentlichungsliste wuerde ich an deiner Stelle lieber einen Sicherheitsabstand zum Buero des Dean einhalten..." 

Jerry macht den Mund auf. Dann macht er ihn wieder zu, reisst mir die Abrechnung aus der Hand und verschwindet. 

Das Arbeitsklima wird doch gleich viel entspannter, wenn man ein bisschen ueber den Hintergrund seiner Mitarbeiter Bescheid weiss... 

 
 
 
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