von Florian Schiel
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Es wird eben Sommer. Für die geplagten Angestellten der Uni bedeutet dies, daß die Tagestemperaturen in den Büros auf saunaverdächtige Werte ansteigen. Glänzende Aluminiumverkleidungen reflektieren unerbittlich die Sonnenglut, großzügige Glasfassaden und Plattenbau erledigen den Rest. Gemessen an der Zahl der Flüche, die Studenten und Hochschulangestellte auf das Haupt des unseligen Architekten häufen, müßte der gute Mann eigentlich in der untersten Ebene schmoren.
Glücklicherweise bin ich infolge meiner zweiten Natur gegen große
Hitze weitgehend gefeit; lästig wird es nur, wenn einem beim DooM-
Spielen dauernd der Schweiß in die Augen läuft.
Zuuupf - jetzt ist mein PC schon zu dritten Mal abgeschmiert.
Es ist richtig heiß heute.
Andererseits erleichtert die Hitze auch vieles. Ich mache meine Runde
durch die Labors und breche bei einigen noch laufenden Workstations
auf der Rückseite ein paar Sichtblenden heraus. Bei anderen rücke ich
passende Kartons vor die Lüftungsschlitze oder drapiere herumliegende
Kleidungsstücke so, daß sie direkt vor den würgenden Lüftern hängen.
Wieder im Büro rufe ich bei drei verschiedenen Hotlines an und heize
den ohnehin schon schwitzenden Dispatchern noch mehr ein. Daher der
Name 'Hotline'. Ich drohe mit Vertragskündigung und Regress, wenn
sie nicht sofort einen Techniker schicken.
Dann schaue ich aufs Thermometer: 43 Grad, nicht schlecht, drei Grad
mehr als gestern. Seitdem ich die Anweisungen des Hausmeisters, daß
alle Fenster nachts geschlossen sein müssen, aufs Wort befolge, steigt
die Temperatur seit Tagen kontinuierlich an. Die Anweisung stammt
allerdings noch vom 13. Januar.
Draußen, im Biergarten der Cafeteria, beginnen sich die ersten
StudentInnen zu entblättern. Ich gehe hinüber ins Optik-Labor und
'leihe' mir eine Digitalkamera aus. In meinem Büro richte ich die
Kamera auf die 'Blondinen-Bank'. Diese Bank, eine an sich
unscheinbare Leichtmetallkonstruktion, etwa 20 Meter schräg unter
unseren Institutsfenstern, muß durch irgendwelche uralten
Geheimnisse der Inkas oder Ägypter genau die kosmische Position zur
Sonne einnehmen, die braungebrannte, wasserstoffgebleichte
Blondinen unwiderstehlich anzieht. Laut meiner bisherigen Statistik
über die Benutzer dieser Bank sind die Ereignisse 'blond', 'weiblich'
und 'braungebrannt' stark signifikant, wogegen das Ereignis
'weitgehend entblättert' immerhin noch signifikant auf dem 0.005
Level ist.
Was täten wir ohne die Statistik!
Ich verbinde die Kamera mit unserem WWW-Server, so daß alle fünf
Sekunden ein aktualisiertes Bild der Blondinen-Bank in der Home-
Page unseres Chefs erscheint. Das ist weitgehend risikolos, da der
Chef es noch nie geschafft hat, seinen Net-Browser richtig zu
konfigurieren. Um genau zu sein, liegt dies nicht am Chef allein,
sondern an einem kleinen nützlichen Cron-Job, der alle zehn Sekunden
die Konfigurationsdateien des Browsers im Home-Directory des Chefs
wieder durcheinanderbringt.
Der erste Techniker taucht auf, um den kollabierenden Server B wieder
aufzupäppeln. Als ich ihm die Türe zum Rechnerraum aufschließe,
wabbert uns eine feuchtwarme Welle abgestandener Luft entgegen. Es
stinkt nach zu heiß gewordenem Gummi und Plastikteilen.
Von Luftfeuchtigkeit steht nichts in den Spezifikationen.
Was der Techniker nicht weiß: Die Skala des Thermometers hat sich
infolge des Zusammentreffens mehrerer merkwürdiger Zufälle vor ein
paar Jahren einmal abgelöst und wurde von mir mit Superkleber wieder
'repariert'. Eigenartigerweise zeigt das Thermometer seitdem etwa 10
Grad zu wenig an.
Es ist heiß heute, richtig heiß.
Auf dem Weg zurück ins Büro werfe ich einen Blick ins Sekretariat.
Dann erkläre ich Frau Bezelmann und Nero, der plötzlich den Kopf
streckt und aufmerksam zuhört, daß das Schmelzen von Eiswürfeln aus
dem Kühlschrank völlig sinnlos sei, weil die dabei gebundene Energie
beim Erzeugen der Eiswürfel im Eisschrank in Form von Wärme sofort
wieder frei werde.
Gerade als wir fertig sind, kommt der Chef zur anderen Türe herein und bleibt erstaunt stehen.
"Ich helfe mal eben Frau Bezelmann", antworte ich wahrheitsgemäß. "Ah, ja... hm", sagt der Chef und betrachtet die Kühlschrank-Karton- Füllmaterial-Konstruktion. "Und... äh... bei was ... äh... helfen Sie Frau Bezelmann?"
"Na, dann versuchen Sie mal, sie zu öffnen", sagt Frau Bezelmann mit zusammengekniffenen Lippen. "Sie öffnen? Aber... hm... das... das geht doch nicht...", erwidert der Chef erstaunt. "Sehen Sie!" sagt Frau Bezelmann in einem Tonfall, der jede Weiterführung der Diskussion unmöglich macht.
Es ist heiß heute, so richtig heiß.
Gerade als ich wieder vor meiner Bürotüre angelangt bin, kommt eine
Blondine auf Inline-Skates den Gang entlang gefahren. Ich meine eine
RICHTIGE Blondine, mit wallendem goldglänzendem Haar, klasse
Figur und bauchfreiem Top. Daß es sich um eine RICHTIGE Blondine
handelt, erkennt man sofort an den blutrot lackierten Fingernägeln und
dem schwarzen Haaransatz.
Ich ducke mich in meine offene Bürotüre, um einer etwaigen Kollision
vorsorglich aus dem Weg zu gehen, aber die Blondine fängt sich
geschickt am Türpfosten ab und schenkt mir ein strahlendes Lächeln
aus tief- nein, nicht -blauen, sondern tief-braunen Augen.
Vorsichtshalber setze ich mich erst mal hin.
vermißt? Ich meine..."
"Ach so", sage ich erleichtert, "sozusagen als Anschauungsmaterial?"
Ob sie die Inline-Skates zum Referat auszieht, denke ich noch zerstreut
und fahre die Schutzschilde wieder hoch.
Es ist heiß heute. Hatte ich das schon bemerkt? Richtig heiß...
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