BASTARD   ASS ( I )   FROM   HELL

von Florian Schiel              

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B.A.f.H.
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Der geschätzte Leser erwartet jetzt sicher wieder eine Episode aus dem aufregenden Leben des BAFH. Leider muß ich ihn heute enttäuschen.
Der Grund? Es ist einfach gar nichts passiert, rein gar nichts, was es lohnt, in die Tasten zu greifen.
Und warum ist das so? Es sind Semesterferien. Keine Studenten, der Chef ist auf einer seiner ausgedehnten 'Studienreisen', ja selbst die unerschütterliche Frau Bezelmann hat ihren Posten im Sekretariat für eine Woche aufgegeben, um an einer rein feministischen Konferenz in Bad Blocksberg teilzunehmen.

Ich ergreife die Gelegenheit, um endlich auf die anschwellende Flut von Leserbriefen (meist in Form von drei- bis vierzeiligen emails!) einzugehen, die ja auch irgendwann beantwortet sein wollen.

Zunächst danke ich für die zahlreichen Hinweise besorgter Akademiker-Eltern, daß sie ihre Sprößlinge - sobald diese in entsprechendes Alter herangewachsen sein würden - auf gar keinen Fall an die Universität des BAFH schicken und schon unter gar keinen Umständen ein Fach studieren lassen würden, im Rahmen dessen die wohlbehüteten selbigen Sprößlinge etwa mit mir persönlich in Kontakt geraten könnten.
Eine solche Einstellung kann ich nur voll und ganz unterstützen. Ich finde, daß die derzeitigen 4 (in Worten: vier!) Hauptfachstudenten pro Semester schon Zumutung genug sind.

Auch die zahlreichen Anfragen von Studenten anderer Fakultäten, ob es denn in unserem Fach an dieser unserer Universität tatsächlich 'dermaßen schlimm zugehe', möchte ich hier kurz und bündig beantworten:
Ja, das tut es!
Aber dafür wird es bei uns auch nie langweilig!

Als nächstes muß ich auf die teilnehmenden Zuschriften zahlreicher weiblicher Leserinnen eingehen, die sich bei mir erkundigen, ob ich durch meinen Lebensstil Frustrationen infolge mangelnder Zuwendung abreagiere, und die mit mehr oder weniger eindeutigen Angeboten ihre Dienste zwecks Abbau der besagten Frustrationen anbieten.
Meine Damen, ich weiß Ihre Anteilnahme wirklich zu schätzen, aber sie irren sich in der Diagnose. Meine Lebensführung ist sozusagen inhärent festgelegt und nicht so leicht zu ändern.
Im Übrigen, nein, ich bin weder durch Kaiserschnitt noch durch eine Zangengeburt zur Welt gebracht worden. Auch hatte ich eine ausgesprochen harmonische Kindheit, soweit man in meinem Falle von einer Kindheit sprechen kann, danke gütigst der Nachfrage.

Das Thema meiner Herkunft scheint aber die Leserschaft derart zu interessieren, daß ich mich schweren Herzens durchgerungen habe, an dieser Stelle ganz kurz über

DIE HERKUNFT DES BAFH

zu berichten.

Also, das Ganze nahm seinen Anfang einige Jahre nachdem ich meinen Posten als Flugbegleiter auf einem Charterflugzeug der LUDA AIR angetreten hatte. Als Engel fünfter Klasse des 3. Fähnleins, 12.
Kohorte, 53. Zenturie, 1026. Legion der HH ('Himmlischen Heerscharen') bestand meine Aufgabe darin, den Passagieren während der Flüge Mut und Hoffnung auf eine von Gott gelenkte, glückliche Landung einzuflüstern.

Es war nicht gerade ein Traumjob. Präziser gesagt, langweilte ich mich fast zu Tode. Ein Jahr lang pendelten wir fast ununterbrochen zwischen Cancun und Frankfurt hin und her. Die Flugzeugbesatzungen wechselten ja dauernd, aber ich durfte meinen Posten nicht verlassen.
Ich war immer an Bord, unsichtbar, allgegenwärtig und stets bereit, Mut und Hoffnung zu spenden.

Mehr durfte ich auch gar nicht. Denn die oberste Direktive im Kodex der HH lautet: 'Keinerlei aktiven Eingriff in das Geschehen, damit die Planung der oberen Ränge nicht in Frage gestellt werden kann.'

Jedenfalls hatte ich nach einigen Jahrzehnten in den Charterflugzeugen der LUDA AIR die Sache gründlich satt. Ich beneidete die Kollegen vierter Klasse, die immerhin in Linienflugzeugen Dienst tun durften.
Da wechselte wenigstens ab und zu der Flugplan. Außerdem war das Publikum bestimmt distinguierter als auf diesem Cattle Freighter. Aber die Beförderung zur vierten Klasse konnte noch gut und gerne einige Jahrhunderte auf sich warten lassen.

Eines Tages lümmelte ich gerade mal wieder gelangweilt auf dem Stuhl des Copiloten, der sich die lange Flugzeit über den Atlantik zusammen mit der kleinen blonden Stewardess auf angenehmere Art verkürzte, als plötzlich der Pilot neben mir einen erstickten Laut von sich gab und, bevor ich noch Gelegenheit fand, ihm weisungsgemäß Mut und Hoffnung einzuflüstern, in Ohnmacht fiel.
Kann sein, daß die leere Whiskyflasche, die er vor ein paar Stunden - da allerdings noch gefüllt - aus dem Duty-Free-Schrank geklaut hatte, irgendwie damit zu tun hatte.
Unglücklicherweise war der Autopilot in diesem Moment gerade ausgeschaltet und der schwere Schädel des besinnungslosen Piloten drückte das Steuer kräftig nach vorne, so daß die altersschwache 737 ächzend in einen atemberaubenden Sturzflug überging, der Disney Land alle Ehre gemacht hätte. Aus dem Passagierraum ertönte der Klang von zerbrechenden Glas und erbrechenden Passagieren.

Ich überlegte kurz, ob ich statt des bewußtlosen Piloten den Copiloten aufsuchen sollte, um ihm Mut und Hoffnung einzuflüstern. Allerdings bezweifelte ich, daß dieser es rechtzeitig von der Ruhekabine der Stewardessen bis zur Pilotenkanzel schaffen würde. Vor allem bei der rapide zunehmenden Schräglage der 737 und wenn er sich unterwegs auch noch anziehen müsse.

Direkt vor mir befand sich die Anzeige des Höhenmessers und daneben der Schalter zum Autopiloten. Die Zahlen flimmerten über die Anzeige des Höhenmessers. Ich schätzte noch etwa 25 Sekunden bis zum ultimativen Aufprall.

Rasch versetzte ich mich nach hinten in die abgedunkelte Ruhekabine der Stewardessen. Der Copilot war offensichtlich nach vollbrachter Tat auf der ebenfalls schlummernden kleinen blonden Stewardess eingeschlafen und schnarchte leise und zufrieden. Ich streckte automatisch meine Hand nach seiner Schulter aus, um ihn wachzurütteln, aber dann fiel mir die oberste Direktive der HH wieder ein: Kein Eingriff ins Geschehen.

Wenn ich jetzt den Copiloten aus seinem post-coitalen Koma erweckte, verstieß ich bereits gegen meine Vorschriften und es war keineswegs sicher, ob er es in den verbleibenden 20 Sekunden noch bis zur Pilotenkanzel schaffen würde.
Besser wäre es also, gleich selber den Autopiloten einzuschalten, wenn ich schon gegen die Vorschriften verstoßen sollte.
Gedacht, getan. Ich versetzte mich wieder nach vorne und flippte den kleinen roten Schalter nach unten. Der Autopilot, seit langem die einzige vernünftig denkende Instanz auf diesem Flugzeug (außer mir natürlich!), schaffte es gerade noch, den Absturz in 350 Meter über dem Atlantik abzufangen.

Die Sache ging natürlich durch die Presse und ein Engel 3. Klasse im Range eines Super-Anglizisten wurde darauf aufmerksam. Der Fall wurde an die gefiederte MIPO überwiesen und diese besorgte sich per göttlichem Dekret eine Kopie des verdammten Flugschreibers. In den anschließenden Verhören kam alles heraus, weil ich als Engel noch nicht gelernt hatte, gewisse Tatsachen geeignet darzustellen.

Ich wurde sofort zum 'Angel Bulk Rate' degradiert und mußte mich zur Strafe fortan um die Überwachung der Quantenfluktuationen in der Beschleunigerkammer 5 des Kernforschungszentrums CERN kümmern - eine verdammt mühselige und noch ödere Arbeit, als man es sich vorstellen kann, deren Zweck allein darin besteht, die Kernphysiker durch absolut anormales Verhalten der Elementarteilchen in die Irre zu führen, damit sie den göttlichen Plan der Schöpfung nicht so leicht erkennen können.
Nebenbei gesagt, besteht dieser Plan aus einer Ansammlung von ganz gräßlichen und akausalen Zusammenhängen, den man in den obersten Rängen am liebsten ganz unter den Tisch gekehrt hätte, weil er gar kein gutes Bild auf die Konzeption der Schöpfung an sich wirft.

In CERN lernte ich einen BTFH, Bastard Technician from Hell, aus dem dritten Kreis kennen, der mir die ersten Kontakte zur Konkurrenz verschaffte. Schließlich bot mir die Geschäftsleitung an, den Posten eines BAFHs zu übernehmen, wenn ich dafür auf meine engelhaften Privilegien für immer verzichtete.

Natürlich unterschrieb ich sofort - von Protonen, Leptonen, Barionen und anderen Etceteraonen hatte ich gründlich die Nase voll.

Und so wurde aus dem 'Angel Bulk Rate' der 'Bastard Assistant from Hell', des Chaos Quelle, der Schrecken aller Verwaltungsbeamten und Studenten, immer bereit, ein wenig Sand ins Getriebe der göttlichen Ordnung zu streuen.

Und - seien wir mal ganz ehrlich - ohne ein bißchen Chaos wäre dieses Leben doch stinklangweilig.

 
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