BASTARD  ASS ( I FROM  HELL OVERSEA
                                                                                                                                                                                             von  Florian Schiel
 
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T e i l  10
 
 
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B.A.f.H.O. 10
 
Mein Liste der zu erledigenden Aufgaben (Task List) ist auf 234 angeschwollen. Also gehe ich auf den Flur und werfe mit einem nassen Lappen nach der runden Deckenlampe, bis Ginger mit der Tagespost 
vorbeikommt. 
Sie beobachtet mich eine Weile aus sicherer Entfernung, wie ich mit stupider Hartnaeckigkeit immer wieder den nassen Lappen aufnehme und nach der Lampe schleudere. 
Nach dem zehnten Wurf ueberwaeltigt ihre angeborene weibliche Neugierde die anerzogene amerikanische Zurueckhaltung, und sie fragt mich, was ich da tue. 
"Ich werfe einen nassen Lappen nach der Deckenlampe", sage ich. 
Ginger bruetete einen Moment ueber dem Sinn dieser Aussage, ob ihr da vielleicht eine tiefere Bedeutung entgangen sei; dann fragt sie beherzt: 
"Und wozu soll das bitte gut sein?" 
"Ich uebe Korbwerfen", antworte ich. 

Nun ist Basketball eine der vielen Ball-Manien der Amerikaner. (Ist euch schon mal aufgefallen, dass Amerikaner handorientiert und Europaeer fussorientiert sind? Man kann einen sehr einfachen kulturellen 
Zugehoerigkeitstest machen, indem man einem Amerikaner und einem Europaeer jeweils einen Ball zuwirft. Derjenige, der den Ball wegtritt, statt in zu fangen, ist der Europaeer!) 
Deswegen ist es nicht weiter auffaellig, wenn ein Amerikaner sogar am Arbeitsplatz Korbwerfen uebt - allerdings im allgemeinen mit einer Miniaturversion von Ball und Korb, und nicht mit einem nassen Lappen! 

Inzwischen hat sich Ginger zur naechsten Frage durchgearbeitet: 
"Aber warum uebst du Korbwerfen mit einem nassen Lappen, statt mit einem Ball?" 
"Weil mit einem Ball die Lampe kaputtginge", erklaere ich und werfe wieder. 

Ueberwaeltigt von soviel Logik laesst mich Ginger mit meinem Lappen allein, und ich mache noch ein paar Wuerfe, bis ich ziemlich fit bin. Dann steige ich aufs Dach hinauf und werfe den Lappen mit einem einzigen eleganten Schwung ueber die Mikro-Link-Antenne, die unser Subnetz mit dem Internet auf dem Campus verbindet. 
Die Feuchtigkeit im Lappen unterbricht die Mikrowellen, und mit einem Schlag sind wir von der grossen weiten Cyberwelt abgeschnitten. 

Als ich in mein Buero am ARSCH zurueckkomme, klingeln schon die Alarmglocken. Von allen Enden des Instituts kommen emails verzweifelter Mitarbeiter, die es mitten im schoensten Surfen erwischt 
hat. 
Ich schicke eine email an alle, in der ich lapidar mitteile, dass unsere Internet-Anbindung aus noch unbekannten Gruenden zusammengebrochen sei, dass diese Aufgabe absolute Prioritaet habe und 
ich mir deshalb erlaube, saemtliche andere Punkte auf meiner Task-Liste zu streichen. Und falls jemand etwas dagegen haette, solle er sich bitte oeffentlich per email dazu aeussern. 
Natuerlich wagt es keiner, die Prioritaet der Internet-Anbindung anzuzweifeln - schliesslich moechte niemand gern von einem aufgebrachten Mob Internetsuechtiger gelyncht werden. 
Dann fuege ich noch hinzu, dass ich bis zum Abschluss der erfolgreichen Reparatur unter keinen Umstaenden gestoert werden moechte, und dass die Verbindung noch heute wieder funktionieren werde. 

Dann schliesse ich mein Buero ab und gehe hinueber ins Casino des Faculty Clubs. 
Nach einem ausgiebigen fuenfgaengigen Lunch mit einem vollmundigen Coastal Chardonay gehe ich laessig zur Kasse und verlange die Rechnung. In dem Moment, wo die Check-Maus meine Tischnummer eintippt, ziehe ich ganz kurz das Netzkabel aus ihrem Computer. Natuerlich stirbt sofort das OS der Kasse, und die Check-Maus bekommt das Ding nicht wieder zum Laufen. Ich schaue auf meine Armbanduhr, trommele mit den Fingern und bemerke dass ich eigentlich weg muesste, und so weiter, und ob ich ihr nicht helfen koennte. 
Erleichtert laesst sie mich an die Tastatur, und ich fummele ein wenig daran herum. 
Dann sage ich, dass ich ohne das Master-Passwort nicht weiterkomme, und dass sie den Manager suchen soll. Sie sprintet los und ich kann in aller Ruhe meine gespeicherte Rechnung auf ein vernuenftiges Mass reduzieren. Leider kommt sie schon wieder zurueck, gerade als ich die gebuchten Trinkgelder der letzten 6 Monate auf mein Kreditkartenkonto rueckueberweisen moechte. Naja, man kann nicht alles haben! 
Ich bezahle meine Rechnung ueber $ 0.95 und gehe zurueck zum ARSCH. 

Auf dem Flur vor meinem Buero patrouilliert der harte Kern meiner internetabhaengigen Kollegen. Erste Entzugserscheinungen (Mausfingerzittern und aehnliches) zeigen sich bereits bei den ganz schweren Faellen. Als sie mich ausserhalb meines Bueros sehen, erstarrt der ganze Haufen fuer einen Moment, dann stuerzen sie sich wie eine Meute ausgehungerter Serengeti-Hyaenen auf mich. 
"Was machst du hier draussen!?" 
"Ich dachte, du bist dran die IN-Verbindung zu reparieren!!" 
"Weisst du nicht, wieviele Leute darauf warten, Idiot?!" 
"Wo warst du!? Etwa beim Lunch?? Er war beim Lunch!!! Ist das zu fassen..." 
Einer bekommt sogar einen hysterischen Lachkrampf; ein anderer beisst sich mit irrem Blick in die Handknoechel. 

Ich hebe beide Arme, damit sie mich zu Wort kommen lassen. 
"Ich bin hart an der Sache dran", sage ich ernsthaft. Hoehnisches 
Gelaechter antwortet mir. 
"Ich wette einen Zwanziger, dass wir heute nicht mehr on-line gehen", faucht Jerry hetzerisch. "Wie soll denn was vorangehen, wenn der Kerl sich hier draussen 'rumtreibt!" 
Kerl? Mein lieber Freund... Ich nehme mir vor, bei naechster Gelegenheit den Paket-Scrambler in Jerrys Workstation wieder zu aktivieren. Ein huebsches kleines Socket-Filter, dass die Adressen aller abgehenden Pakete durcheinanderbringt. Das hat schon manchen Surfer in den Wahnsinn getrieben... 

Die Kollegen knurren beifaellig. 
Ich lasse mich nicht aus der Ruhe bringen. Nach meiner Rechnung muesste der Lappen inzwischen fast trocken sein und die Mikrowellen nicht mehr abschirmen. 
"Top!" sage ich und halte Jerry eine Zwanzig-Dollar-Note unter die Nase. Nach amerikanischen Maenner-Ehren-Kodex kann er jetzt keinen Rueckzieher mehr machen. Muerrisch holt er auch einen Zwanziger heraus und deponiert ihn bei Ginger, die gerade vorbeikommt. 
"Das letzte Mal hat es drei Tage gedauert", versucht Ron ihn zu troesten. 

In dem Moment stuerzt ein Student aus dem PC Labor. 
"Das Netz ist wieder da!" kreischt er mit verzuecktem Blick. 
Ringsherum Jubelschreie und kleine Staubwolken, als die Kollegen zu ihren Workstations sprinten; nur Jerry zieht ein langes Gesicht, waehrend  ich mir die zwei Zwanziger schnappe.

 
 
 
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